Vom Lesen und nicht Lesen im Netz

von Ratgeber, Textgestaltung

Im Internet bekommt das Wörtchen „Lesen“ eine ganz andere Bedeutung. Denn gelesen wird hier keineswegs Zeile für Zeile – und schon gar nicht jedes Wort. Stattdessen wird gescannt und Texte werden stichprobenartig auf Herz und Nieren geprüft. Wie unterscheidet sich das Leseverhalten im Netz zum Schmökern in einem gedruckten Buch? Und was sind die Gründe für diese digitale „Lesefaulheit“? 

Vom Scannen & dem Schema F

Die digitale Ära ist auch jene der Zeitarmut. Wir haben nicht nur nahezu unbegrenzte Möglichkeit, sondern auch die technischen Voraussetzungen jederzeit und innerhalb weniger Sekunden an Wissen und Informationen zu gelangen. Doch mit den Möglichkeiten wachsen auch die Erwartungen und der Druck – an uns selbst und durch andere.

Das Resultat: wir haben keine Zeit mehr.

Das spiegelt sich natürlich auch in unserem Leseverhalten im Netz wieder. Pardon, Scanverhalten. Denn gelesen im klassischen Sinne wird hierbei nicht. Machen Sie einmal den Selbstversuch!

Mit der Frage im Hinterkopf „Sind diese Zeilen meine Zeit wert?“, pickt sich der Leser einen Teil des Textes heraus und macht dadurch eine erste Qualitätskontrolle. Vermutlich kommt dabei auch das sogenannte F-Muster zum Einsatz, welches vom dänischen Website-Usability-Forscher Jakob Nielsen entdeckt wurde.

Nielson fand in seinen Eyetracking-Experimenten heraus, dass Webuser Texte unter anderem F-förmig abscannen: der Leser konzentriert sich auf die ersten Zeilen, springt daraufhin zu einem anderen Absatz und fokussiert sich anschließend überwiegen auf die linke Textseite – also jeweils die ersten Wörter einer Zeile.

Das, in Kombination mit der Tatsache, dass die meisten User nicht bis zum Ende scrollen, führt zu einem etwas frustrierenden Ergebnis: im Durchschnitt lesen User maximal 28% eines Inhalts. Wahrscheinlicher sind laut Nielson sogar nur 20%!  Das ist nicht gerade eine aufbauende Statistik für leidenschaftliche Autoren.

Woher kommt die Ungeduld?

Doch woher kommt es, dass Webuser so ungeduldig sind und Texte im Internet scheinbar nicht angemessen würdigen?

Zum einen ist das Lesen auf dem Bildschirm für das Auge anstrengender als von einem Blatt Papier. Dadurch lesen wir online 25 % langsamer als bei Print-Medien.

Hinzu kommt, dass bei der unendlichen Menge an Informationen im Internet, dem Leser kaum etwas anderes übrig bleibt als zu scannen.Viele Inhalte sind von schlechter Qualität, andere schlicht für die individuellen Bedürfnisse nicht relevant. Wir haben einfach keine Zeit uns alles im Detail durchzulesen.

Innerhalb von wenigen Sekunden entschieden wir daher, ob eine Webseite die Aufmerksamkeit wert ist oder nicht. Bei dieser Entscheidung spielt in erster Linie nicht einmal die Textqualität eine Rolle, sondern das Web- & Textdesign im Allgemeinen.

Nicht zu vernachlässigen ist sicherlich auch die Menge an Ablenkungsmanöver, denen wir im Web ausgeliefert sind. Weiterführende Links, blinkende Werbeanzeigen, Pop-Ups… da fällt es schwer sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auch die Gefahr, während des Lesens im Netz „abzudriften“ (Hallo Facebook…) ist laut einer Studie der Linguistin Naomi Baron höher als beim Lesen eines gedruckten Mediums.

Bei der Beurteilung des Leseverhaltens ist es zudem durchaus wichtig, die Motivation des Lesers zu berücksichtigen. Liest er zum Vergnügen in seiner Freizeit? Oder ist er gezielt auf der Suche nach gewissen Information für beispielsweise die Arbeit?  Immerhin wird das Internet sehr stark zu Recherchezwecken genutzt und dafür ist es gar nicht unbedingt notwendig Satz für Satz zu lesen.

Verlernen wir uns zu vertiefen?

Manche Wissenschaftler sehen unser Scan-Verhalten im Netz durchaus kritisch. Verlernen wir dadurch etwa, uns in ein Thema zu vertiefen und kritisch mit Inhalt und Bedeutung auseinanderzusetzen?

Doch glücklicherweise bevorzugen die meiste Menschen noch immer das Lesen auf Papier und es gibt sie noch immer: die echten Leseratten.

Zudem bieten digitale Texte auch Chancen. Beispielsweise für alte Menschen oder Menschen mit Sehbehinderung. So können sich Betroffene am Computer mit Hilfe bestimmter Programme Texte vorlesen lassen oder die Schriftgröße im eBook -Reader oder Tablet mit einem Klick vergrößern.

Was tun als Seitenbeitreiber?

Dennoch erweckt das Web-Leseverhalten erstmal den Eindruck, als lohne es sich heutzutage kaum noch viel Mühe in gute Texte zu stecken. Es scheint sie ja sowieso niemand mehr richtig zu lesen. Oder?

Falsch! Denn wenn eine Webseite und deren Inhalt vom Betrachter erstmal als relevant eingestuft wird – also die Spreu vom Weizen getrennt wurde – dann nimmt er sich durchaus auch die Zeit dieser mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Für Sie als Seitenbetreiber bedeutet das zweierlei Dinge:

Zum einen, dass Sie ausschließlich hochwertige und relevante Inhalte verfassen sollten. Schrott gibt es bereits en masse und wird während des Scan-Prozesses aussortiert.

Zum anderen können Sie dem Nutzer das Lesen im Netz erleichtern. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist grundsätzlich ein ansprechendes Webdesign. Grelle Farben, zu viele Werbeanzeigen oder unübersichtliche Navigationen sollten dabei vermieden werden. Weiterhin können Sie Ihre Texte so gestalten, dass sie möglichst Scan-kompatibel sind. Beispielsweise durch kurze Absätze, das Hervorheben relevanter Passagen oder eine schmale Zeilenbreite. Das Zauberwort nennt sich „graphisches Schreiben“.

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